von Jan Opiéla, kath. Seelsorger für ‚Roma u. Sinti‘ im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz
und Präses der KLB im Erzbistum Köln
zum Oster-Evangelium nach Matthäus 28, 1-10 (Lesejahr A, kath.) 11./12. April 2020
Das große Balkenkreuz auf dem nachempfundenen Kreuzweg Jesu brauchten wir in diesem Jahr nicht durch die Straßen zu tragen. Denn mit jeder TV-Nachrichtensendung bekommen wir die Karfreitags-Bilder schon zuhauf ins Wohnzimmer geliefert. Jedoch anders als sonst scheint das Gesehene zunehmend unter die Haut zu gehen, denn es findet nicht auf einem Krisen- oder Kriegsschauplatz im Irgendwo statt, sondern bei uns vor der Haustür oder genau da, wo ich in Italien mit vielen nach Ostern zu einem internationalen Kongress zusammentreffen wollte, ist es nun totenstill.
Die Medienmacher scheinen den bundesdeutschen Stimmungsabfall registriert zu haben, denn zunehmend werden klassische Gründonnerstags-Handlungen im Sinne der Fußwaschung Jesu eingeblendet: das immer dienstbereite Pflegepersonal in Sorge um die Hochrisikogruppe in den Altenheimen, die rund um die Uhr in Bereitschaft stehende und agierende ‚Mannschaft‘ der Intensivstationen, der Fahrer der auf einem gottverlassenen Betriebshof in südlichen Gefilden seinen Lastzug selber beladen muss und dann tagelang ausschließlich in seinem Führerhaus lebt, die Speisung einer jetzt augenfällig zunehmenden Anzahl von Obdachlosen welche nun im Kölner Priesterseminar stattfindet oder der Nonnenkonvent beim Basteln von Atemschutzmasken.
Über allem liegt jedoch diese unwirklich, gespenstische Karsamstags-Stille, die sich seit Wochen Abend für Abend, selbst in den belebtesten Vierteln und Straßenzügen, wie auf ein geheimes Zeichen hin auszubreiten scheint, um dann noch alles quirlige und lebendige des aufkeimenden Frühlings zu absorbieren. Aber wie jetzt Auferstehung nachspüren, um dann Ostern im Kreis der Familie feiern zu können, wenn die angeordnete sozial Distanz es nicht zulässt: das Geknubbel am Osterfeuer um das neue Licht zu ergattern, die Flamme der einen, großen Osterkerze die sinnfällig unter dem Ruf des ‚lumen christi‘ die dunkle Kirche tatsächlich hell macht und die ‚Communio‘ welche sich mit Wein und Eierkitschen unter vielen guten Wünschen noch lange hinzieht in die „wahrhaft selige Nacht … bis der Morgenstern erscheint“ (aus dem Osterlob ‚Exultet‘ der Osternacht).
Denn die Auferstehung und eben nicht Weihnachten ist das ursprüngliche Manifest des Christentums!
Auf der Suche nach dem Zeichenhaften stieß ich, bei minimalem Autoverkehr so vor mich hin sinnend, von meinem Bonner Büro in der Abenddämmerung Richtung Köln fahrend. Riesengroß erschien es plötzlich vor mir, weithin sichtbar leuchtend erstreckte es sich über die gesamte Fassade des Posttowers: Ein ‚Herz‘ was alle und alles zu umarmen scheint und dazu die magentafarben blinkende Laufschrift unterhalb der Fußgängerbrücke, welche für die nächsten schwierigen Wochen von einer gratis Erhöhung der Giga-Bits beim Surfen kündete. Und so bekommen wir von außen zugesagt, was wir Christen schon lange zu deuten wissen: Gott ist die Liebe! Doch nun die Auferstehung an einer neu festzustellenden Achtsamkeit der Menschen untereinander festmachen zu wollen oder einem betont lieben Umgang im gemeinsamen Spiel Corona bedingt vereinter Familien, ist Fiktion.
Genauso wie auf den gerade in kirchlichen Kreisen gebräuchlichen Bildern und Grußkarten, wo die bildende Kunst meint, den Moment der Auferstehung aus dem aufgebrochenen Grab festhalten zu müssen. Denn dieser Moment bleibt schon in der Bibel unbeschrieben und damit Lücke, wenn der Engel zu den sich um das Grab sorgenden Frauen sagt: „Fürchtet euch nicht! Ich weiß, ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten. Er ist nicht hier, denn er ist auferstanden, wie er gesagt hat … Er geht euch voraus nach Galiläa, dort werdet ihr ihn sehen.“ ‚Galliläa‘ aber steht für die Verwunderung der Menschen darüber, wie dieser Jesus allein mit einem ungeteilten Maß an Liebe zum Nächsten bewegen und verändern konnte.
Dem folgend sind nun wir zur Veränderung verpflichtet und könnten dann in den ungezählten Elendsbehausungen und Flüchtlingscamps dieser Welt anfänglich Auferstehung begreifen lernen. Erst dann dürfen wir von ‚Gott als Liebe‘ sprechen.