
Jan Opiéla, kath. Seelsorger
für ‚Roma u. Sinti‘ im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz
und Präses der Katholischen Landvolkbewegung im Erzbistum Köln
zum Evangelium, Lukas 6, 17.20-26 und zur alttestamentlichen Lesung, Jeremia 17, 5-8 am 6. Sonntag i. J. Lesejahr C 2022, 13.02.2022
‚Selig, ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes. Selig, die ihr jetzt hungert, denn ihr werdet satt werden.
Selig, die ihr …‘ (vgl. Verse 20-23) ist so oder so ähnlich hinlänglich bekannt und findet sich bis heute in vielen programmatischen Texten, wie Parteiprogrammen, Koalitionsverträgen oder internationalen Erklärungen wieder und lässt vielfach immer noch auf die Umsetzung warten. Auch für den Evangelisten Lukas (Lk 6, 17.20-26) scheinen die von den Bibelwissenschaften her als ‚original Worte Jesu‘ angesehenen Sätze im Rahmen der zentralen ‚Feldrede‘ Jesu schon damals wenig Wirkung gezeigt haben, so dass er bereits frühzeitig die ‚Wehrufe‘ angefügt hatte. ‚Aber weh euch, die ihr reich seid; … weh euch, die ihr satt seid; denn ihr werdet hungern. Weh euch …‘ (vgl. Verse 24-26) damit bei den Lesern eben nicht der Eindruck einer gefälligen Mitgliederwerbung durch den ‚heroischen Chef‘ selber zurückbleibt, sondern deutlich wird, dass es hier um die zentrale Botschaft dieses ‚neuen Weges‘, geht, der von Jesus mit den bereits begeisterten Frauen und Männern entschieden beschritten wurde.
Doch dieses, im Sinne eines „Passt ja auf! … und schließt euch deshalb unserer Idee unbedingt an!“, konnte das hinlänglich bekannte Desaster (Passion) nicht verhindern: schmachvolle Kreuzigung der Leitfigur, Jesus, völliger Ausfall bei der Führungscrew (Petrus leugnet, je dabei gewesen zu sein!), Auseinanderlaufen der Jesus-Bewegten bis hin zur Verfolgung der Hardliner und ihr grausames Hinrichten (Märtyrer), dann das völlige Abtauchen der bereits vorhandenen Sammlungsbewegung mit dem kuriosen Namen ‚Kirche‘ (die aus der Menge Herausgerufenen) in den Untergrund (Katakombe).
Erst die Politik brachte mit Kaiser Constantin (313 n.Chr.) die ‚Wende‘ und Christen waren mit einem Mal
als Staatsdiener gerne gesehen, da sie ja nach ihrem Selbstverständnis keine Schätze im Hier und Jetzt
sammelten, von daher als weniger korrupt vermutet wurden, denn ihr eigentlicher Schatz wartete mit dem ‚ewigen Leben‘ im Himmel auf sie.
Man(n)/frau ließ sich also taufen, vielfach gleich die ganze Hausgemeinschaft inclusive aller Sklaven, da sich somit die gesellschaftliche Akzeptanz enorm erhöhte. Wie entschieden sie im Sinne der von Lukas aufgeschriebenen ‚Feldrede‘ (Lk 6, 20-49) des Religionsstifters Jesus waren, mag dahingestellt bleiben, denn die allermeisten werden weder arm noch reich, weder satt noch hungrig und weder nur lachend oder nur weinend gewesen sein. Halt Menschen wie Du und Ich, die sich in einer religiösen Gemeinschaft bewegten, die ebenfalls für Hinz und Kunz gemacht, eben allumfassend ‚katholisch‘ war und geblieben ist.
Entschiedene mag es mittlerweile heute noch geben, auch in organisierter Form, wie ‚Opus Dei‘ oder ‚Neo Katechumenat‘, die in Gemeinde eher nerven als aufbauend scheinen. Auch die ‚Führungscrew‘, hat sich schon, wie vormals zu Jesu Zeit, in Gänze mittels Glaubwürdigkeitsverlust selbst eliminiert, was organisierter ‚Kirche‘ ein im Moment nicht mehr zu stoppendes Austrittsszenario beschert hat.
Was bleibt?
All das, was den Kern der Botschaft Jesu in die Tat umsetzt und sich in den sozialen Diensten (subsummiert unter ‚Caritas‘), der sogenannten Sonderseelsorge (Gefängnis, Krankenhaus, Polizei usw.) oder der täglichen erzieherischen Beschäftigung mit Kindern (KiTa, Betreuung, Heime usw.) widerspiegelt. Vielleicht handeln hier ja genau die Menschen, die der Prophet Jeremia in der Lesung (Jer 17, 5-8) meint, wenn er den ersten Psalm zitiert, wo es heißt: ‚Gesegnet der Mann (Mensch), der auf den Herrn sich verlässt und dessen Hoffnung der Herr ist. Er ist wie ein Baum, der am Wasser gepflanzt ist und am Bach seine Wurzeln ausstreckt; Er hat nichts zu fürchten, wenn Hitze komm; seine Blätter bleiben grün; auch in einem trockenen Jahr ist er ohne Sorge, unablässig bringt er seine Früchte‘ (Verse 7 u. 8).
In der Tat scheinen all die Dienste im Moment von der ‚innerkirchlichen Dürre‘ unberührt und in der Öffentlichkeit weitestgehend angesehen, da halt die ‚Verwurzelung‘ in der Botschaft nach außen im täglich unermüdlichen Tun deutlich wird. Deshalb besteht die Chance von ‚Kirche‘ allein darin, wenn wir den Blick von ‚da Oben‘ endlich und endgültig nach ‚da Unten‘ wenden auf die ‚Wurzeln‘, für deren Entwicklung sorgen und das notwendige sprudelnde Quellwasser der unverfälschten Botschaft Jesu.
für Rückmeldungen und Diskussion jan.opiela@web.de
Biblische Texte zum 6. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C 2022
Evangelium: Lukas kapitel 6 Verse 17 und 20-26
Der Andrang der Menschen
17 Jesus stieg mit ihnen den Berg hinab. In der Ebene blieb er mit einer großen Schar seiner Jünger stehen und viele Menschen aus ganz Judäa und Jerusalem und dem Küstengebiet von Tyrus und Sidon 18 waren gekommen, um ihn zu hören und von ihren Krankheiten geheilt zu werden. Und die von unreinen Geistern Geplagten wurden geheilt. 19 Alle Leute versuchten, ihn zu berühren; denn es ging eine Kraft von ihm aus, die alle heilte.
Seligpreisungen und Weherufe
20 Er richtete seine Augen auf seine Jünger und sagte: Selig, ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes.[1] 21 Selig, die ihr jetzt hungert, denn ihr werdet gesättigt werden. / Selig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen. 22 Selig seid ihr, wenn euch die Menschen hassen und wenn sie euch ausstoßen und schmähen und euren Namen in Verruf bringen um des Menschensohnes willen. 23 Freut euch und jauchzt an jenem Tag; denn siehe, euer Lohn im Himmel wird groß sein. Denn ebenso haben es ihre Väter mit den Propheten gemacht. 24 Doch weh euch, ihr Reichen; denn ihr habt euren Trost schon empfangen. 25 Weh euch, die ihr jetzt satt seid; denn ihr werdet hungern. Weh, die ihr jetzt lacht; denn ihr werdet klagen und weinen. 26 Weh, wenn euch alle Menschen loben. Denn ebenso haben es ihre Väter mit den falschen Propheten gemacht.
Lesung: alttestamentlicher Prophet Jeremia Kapitel 17 Verse 5-8
Vom falschen und rechten Vertrauen
5 So spricht der HERR: Verflucht der Mensch, der auf Menschen vertraut, / auf schwaches Fleisch sich stützt / und dessen Herz sich abwendet vom HERRN. 6 Er ist wie ein Strauch in der Steppe, / der nie Regen kommen sieht; er wohnt auf heißem Wüstenboden, / im Salzland, das unbewohnbar ist. 7 Gesegnet der Mensch, der auf den HERRN vertraut / und dessen Hoffnung der HERR ist. 8 Er ist wie ein Baum, der am Wasser gepflanzt ist / und zum Bach seine Wurzeln ausstreckt: Er hat nichts zu fürchten, wenn Hitze kommt; / seine Blätter bleiben grün; auch in einem trockenen Jahr ist er ohne Sorge, / er hört nicht auf, Frucht zu tragen. 9 Arglistig ohnegleichen ist das Herz und unverbesserlich. / Wer kann es ergründen? 10 Ich, der HERR, erforsche das Herz / und prüfe die Nieren, um jedem zu geben nach seinen Wegen, / entsprechend der Frucht seiner Taten. 11 Wie ein Rebhuhn, das ausbrütet, / was es nicht gelegt hat, so ist ein Mensch, / der Reichtum durch Unrecht erwirbt. In der Mitte seiner Tage muss er ihn verlassen / und am Ende steht er als Narr da.