
Jan Opiéla, kath. Seelsorger
für ‚Roma u. Sinti‘ im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz
und Präses der Katholischen Landvolkbewegung im Erzbistum Köln
6. Sonntag im Jahreskreis A‘2023 Lesung: aus dem Buch Jesus Sirach 15, 15 – 20 und Evangelium: Matthäus 5, 17 – 37, 12.02.2023
Es lässt sich der Eindruck nicht ganz von der Hand weisen, dass es seit dem II. Vatikanischen Konzil kaum so viel Bewegung in der Kirche gegeben hat wie im Moment. Eine solche Bewegung ist nicht gerade vor Ort in den von Skandalnachrichten gelähmten Pfarrgemeinden zu finden, gemeint ist auch nicht die sintflutartige Austrittsbewegung, sondern ursächlich ist eher das Schlagwort ‚Synode‘, das Kirche im Kleinen wie im Großen und sogar weltweit erfasst hat.
Doch unter ein und derselben Begrifflichkeit scheinen alle was anderes zu verstehen!
Da werden die Gemeindegremien der Pfarreien seitens der Diözese mit Demokratie versprechenden Planspielen beschäftigt im Rahmen von eh sich zwangsläufig ergebenden Zusammenlegungs- und Kooperationsgrößen, scheint der Deutsche Synodale Weg bei nicht gerade wenigen bischöflichen Zauderern in der Tat ein demokratisches Miteinander als Ziel anzuvisieren, so läuft es hingegen auf Weltebene darauf hinaus, dass wenige von vorne aus dozieren, viele zuhören dürfen und der Papst alleine entscheidet.
Doch wie sieht auf diesem Hintergrund eigentlich ein Aufbruch bei Jesus aus und müsste diese
Bewegung dann nicht für uns Leitlinie sein?
Er setzt gleichfalls bei dem Tradierten an, dem Gesetz des Moses (unseren ‚10 Geboten‘), der Tora, der damaligen Lebensgrundlage des Volkes Israel. Mit den jeweils einleitenden Worten ‚Ihr aber habt gehört …‘ zitiert er bewusst den bestehenden Verhaltenscodex und setzt dem ein ‚Ich aber sage euch …‘ entgegen (vgl. Vers 21-27).
Diese gewählte Form der Antithese lässt nun umwälzend Revolutionäres erwarten, eine Veränderung, die alles Kopf stehen lässt. Doch was dann kommt, ist im ersten Moment völlig ernüchternd und scheint eher das zu vertiefen, was man(n)/frau schon eh als die ewig alte Leier zu kennen meint. Es ist das, was durch Festschreibung in der Tora zum Kriterium Gottes in Menschenhand geworden ist und bei uns als typisch für kirchliche Autorität rüberkommt: ein Katalog von Verboten und Geboten, dem sich ein Strafmaßnahmenregister von ‚lässlicher Sünde‘ bis ‚Todsünde‘ anschließt und das alles machtvoll in einer bischöflichen Hand -von Gottes Gnaden zusammengehalten wird.
Mit dem Ergebnis nunmehr eines riesigen Scherbenhaufens aus Missbräuchlichem, erwachsen einer Doppelmoral und Halbherzigkeit gegenüber einem in allen Lebensbereichen überzogenen ‚Du darfst nicht!‘. Gleichzeitig versehen mit einem kompatiblen Sakrament der Buße (heute: Sakrament der Versöhnung), was in der ‚Beichte‘, zumindest innerkirchlich, wieder alles zu glätten vermag.
Dem setzt Jesus mit seiner göttlichen Autorität dieUnmittelbarkeit des Wortes Gottes entgegen, wo
die Liebe (Gott) nun selbst zum Maßstab wird, damit wir so erfassen können, was Gott von uns
Menschen will. Eben nicht nur ein ‚Du sollst nicht töten‘, sondern auch alle ‚Spielarten‘ zu unterlassen (vgl. Vers 22-26), mit denen wir andere eliminieren oder ein ‚Du sollst nicht die Ehe brechen‘, sondern alles im Ansatz zu vermeiden, was dem Vorschub leistet (vgl. Vers 28). Das heißt, Jesus fordert mit seinen Antithesen unsere Echtheit, ein radikales Handeln und nicht zuletzt meine ganze Nachfolge.
Wenn ein synodales Miteinander das befördert und auf Dauer garantiert von der Liebe Gottes
durchdrungen zu bleiben und nicht im menschlichen Gefüge von Machtkompetenzen zerrieben
zu werden, könnte es eine vom Geist Gottes auf den Weg gebrachte, neue und gangbare Kirchenstruktur sein.
Doch hoffentlich überlebt der ‚Geist Gottes‘ die im Moment doch sehr heftigen Debatten und die
nicht selten recht bissigen schriftlichen Kommentierungen dazu.
für Rückfragen und zur Diskussion jan.opiela@web.de
Biblische Texte zum 6. Sonntag im Jahreskreis Lesejahr A‘2023
Lesung: aus dem Buch Jesus Sirach 15, 15 – 20
Der freie Wille des Menschen
11 Sag nicht: Wegen des Herrn bin ich abtrünnig geworden! / Denn, was er hasst, wird er nicht tun. 12 Sag nicht: Er hat mich in die Irre geführt! / Denn er hat keinen Nutzen von einem sündigen Mann. 13 Jeden Gräuel hasst der Herr, / und wer den Herrn fürchtet, kann den Gräuel nicht lieben. 14 Er selbst hat am Anfang den Menschen gemacht / und hat ihn der Macht seiner Entscheidung überlassen. 15 Wenn du willst, wirst du die Gebote bewahren / und die Treue, um wohlgefällig zu handeln.[2] 16 Er hat dir Feuer und Wasser vorgelegt, / was immer du erstrebst, danach wirst du deine Hand ausstrecken. 17 Vor den Menschen liegen Leben und Tod, / was immer ihm gefällt, wird ihm gegeben. 18 Denn groß ist die Weisheit des Herrn, / stark an Kraft ist er und sieht alles. 19 Seine Augen sind auf denen, die ihn fürchten, / und er kennt jede Tat des Menschen. 20 Keinem befahl er, gottlos zu sein, / und er erlaubte keinem zu sündigen.
Evangelium: Matthäus 5, 17 – 37
Über die Erfüllung der Weisung Gottes
17 Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben! Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen. 18 Amen, ich sage euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird kein Jota und kein Häkchen des Gesetzes vergehen, bevor nicht alles geschehen ist.
19 Wer auch nur eines von den kleinsten Geboten aufhebt und die Menschen entsprechend lehrt, der wird im Himmelreich der Kleinste sein. Wer sie aber hält und halten lehrt, der wird groß sein im Himmelreich. 20 Darum sage ich euch: Wenn eure Gerechtigkeit nicht weit größer ist als die der Schriftgelehrten und der Pharisäer, werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.
Die neuen Thesen
21 Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst nicht töten; wer aber jemanden tötet, soll dem Gericht verfallen sein. 22 Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein; und wer zu seinem Bruder sagt: Du Dummkopf!, soll dem Spruch des Hohen Rates verfallen sein; wer aber zu ihm sagt: Du Narr!, soll dem Feuer der Hölle verfallen sein.
23 Wenn du deine Opfergabe zum Altar bringst und dir dabei einfällt, dass dein Bruder etwas gegen dich hat, 24 so lass deine Gabe dort vor dem Altar liegen; geh und versöhne dich zuerst mit deinem Bruder, dann komm und opfere deine Gabe! 25 Schließ ohne Zögern Frieden mit deinem Gegner, solange du mit ihm noch auf dem Weg zum Gericht bist! Sonst wird dich dein Gegner vor den Richter bringen und der Richter wird dich dem Gerichtsdiener übergeben und du wirst ins Gefängnis geworfen. 26 Amen, ich sage dir: Du kommst von dort nicht heraus, bis du den letzten Pfennig bezahlt hast.[1] 27 Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst nicht die Ehe brechen. 28 Ich aber sage euch: Jeder, der eine Frau ansieht, um sie zu begehren, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen. 29 Wenn dich dein rechtes Auge zum Bösen verführt, dann reiß es aus und wirf es weg! Denn es ist besser für dich, dass eines deiner Glieder verloren geht, als dass dein ganzer Leib in die Hölle geworfen wird. 30 Und wenn dich deine rechte Hand zum Bösen verführt, dann hau sie ab und wirf sie weg! Denn es ist besser für dich, dass eines deiner Glieder verloren geht, als dass dein ganzer Leib in die Hölle kommt. 31 Ferner ist gesagt worden: Wer seine Frau aus der Ehe entlässt, muss ihr eine Scheidungsurkunde geben. 32 Ich aber sage euch: Wer seine Frau entlässt, obwohl kein Fall von Unzucht vorliegt, liefert sie dem Ehebruch aus; und wer eine Frau heiratet, die aus der Ehe entlassen worden ist, begeht Ehebruch. 33 Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst keinen Meineid schwören, und: Du sollst halten, was du dem Herrn geschworen hast. 34 Ich aber sage euch: Schwört überhaupt nicht, weder beim Himmel, denn er ist Gottes Thron, 35 noch bei der Erde, denn sie ist der Schemel seiner Füße, noch bei Jerusalem, denn es ist die Stadt des großen Königs! 36 Auch bei deinem Haupt sollst du nicht schwören; denn du kannst kein einziges Haar weiß oder schwarz machen. 37 Eure Rede sei: Ja ja, nein nein; was darüber hinausgeht, stammt vom Bösen. 38 Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Auge für Auge und Zahn für Zahn. 39 Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin! 40 Und wenn dich einer vor Gericht bringen will, um dir das Hemd wegzunehmen, dann lass ihm auch den Mantel! 41 Und wenn dich einer zwingen will, eine Meile mit ihm zu gehen, dann geh zwei mit ihm! 42 Wer dich bittet, dem gib, und wer von dir borgen will, den weise nicht ab! 43 Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen.[2] 44 Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, 45 damit ihr Kinder eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. 46 Wenn ihr nämlich nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür erwarten? Tun das nicht auch die Zöllner? 47 Und wenn ihr nur eure Brüder grüßt, was tut ihr damit Besonderes? Tun das nicht auch die Heiden? 48 Seid also vollkommen, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist!