
Jan Opiéla, kath. Seelsorger
für ‚Roma u. Sinti‘ im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz
und Präses der Katholischen Landvolkbewegung im Erzbistum Köln
Sonntags Ge-danken zum Evangelium, Lukas 10, 25 – 37 und zur Lesung aus dem Buch Deuteronómium 30, 10 – 14 am 15. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C 2022, 10.07.2022
„man müsste mal … was tun!“, „wenn doch nur eine(r) da wäre … die/der könnte doch mal …“, „es wäre schön, wenn …“ … mit Blick auf all das, was da so liegen bleibt, einfach mal so stehen gelassen wird oder nicht wieder an seinen angestammten Platz kommt und besonders jetzt in Ferienzeiten zu Hause aber auch in unseren gemeindlichen Zentren so ins Auge fällt. Da wir so viel (um die Ohren) haben, ist auch immer so viel ‚aufzuräumen‘!
Im übertragenen Sinne ist das im politischen, dem kirchlichen oder öffentlichen Raum nicht viel anders. Doch da gilt dann: „wenn man nicht mehr weiter weiß, dann bildet man einen Arbeitskreis“, eben das Gremium, wo das ‚man müsste mal!‘ zunächst gut aufgehoben ist.
Ganz anders im heutigen Evangelium des Lukas (10, 25-37), wo einer konkret nachfragt ‚… was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?‘ (Vers 25) und damit nicht auf andere abwälzt oder an Planspielen interessiert scheint. Erstaunlicher Weise hat der Fragende dann auch noch die Antwort aus dem Gesetz selber parat, so dass wir es mit einem zu tun haben, der als Gesetzeslehrer selber weiß, wo es langgeht. Die Nachfrage an Jesus ‚… wer ist mein Nächster?‘ (Vers 29) lässt jedoch Zweifel aufkommen, ob sein Wille zum Handeln wirklich echt ist? Da kommt wieder die Sache mit dem AUS-schuss aus unserem realen Leben in den Blick, wo man(n)/frau die Angelegenheit nach langem Hin und Her letztendlich ins AUS schießt! Auf der Mikroebene (z.B.: Kinderzimmer) kommt anders formuliert, jedoch dasselbe raus „ich weiß nicht, wie das geht?“, „wo soll ich das hintun?“ oder „muss ich das jetzt machen?“ … vielleicht morgen, übermorgen und gerät dann hoffentlich so in Vergessenheit!
Mit dem was bereits der Gesetzeslehrer selbst aus dem Gesetz zitiert und uns allen in der Kurzform ‚Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst‘ mehr als geläufig ist, ist bereits alles umfassend gesagt und wird auch so von Jesus bestätigt (vgl. Verse 27/28). Folglich erhärtet sich hier nun der Eindruck, mit Blick auf den fragenden Gesetzeslehrer, dass wir es mit einem zu tun haben, der nicht echt zu dem steht, was er verkörpert, der seine Rolle gar nicht liebt und überhaupt nicht angenommen hat.
Diese Vermutung wird erst recht bestätigt durch die von Jesus gewählten Beispiele von ‚unterlassener Hilfeleistung‘ (vgl. Verse 30-32), pikanter Weise sich steigernd, zunächst von einem Leviten (Tempelgehilfen) und dann einem Priester begangen! Damit geht Jesus nun mit dem Gesetzeslehrer hart ins Gericht, packt ihn an seiner innersten Motivation, enttarnt, deckt auf ‚was tatsächlich unter dem Gewand steckt‘ und stellt damit bloß. Aggressionspotential genug für ein späteres ‚Kreuzige ihn!‘, was sich auf der Mikroebene ‚nur‘ in einem fürchterlichen Donnerwetter niederschlägt und gegebenenfalls so rüberkommt „nun mach endlich, du weißt genau wie das geht und wo die Sachen hingehören, stell dich doch nicht so sau dumm an!“.
Falls jetzt immer noch Klärungsbedarf über das ‚Wo‘ und ‚Wie‘ von Gottes Gebot besteht, sollte sich unser Blick auf die Lesung des Alten Testamentes aus dem Buch Deuteronomium (30, 10-14) richten. Danach bedarf es keiner für uns unerreichbaren Anleitung ‚Es ist nicht im Himmel …‘ (Vers 12) und auch keiner komplizierten Anwendungsmethoden, denn ‚Es ist auch nicht jenseits des Meeres …‘ (Vers 13), ‚Nein, das Wort ist ganz nah bei dir, es ist in deinem Mund und in deinem Herzen, du kannst es halten‘ (Vers 13). Du musst nur in dich hineinhören, deiner inneren Stimme trauen und ihr folgen. Dafür ist es jedoch notwendig, den eigenen Widerstand aufzugeben im Sinne eines ‚liebe dich selbst‘, um dann so seine Rolle und seinen Auftrag im Leben finden zu können. Besonders notwendig für die unvermittelten Situationen, wo mein intuitives Handeln gefordert ist.
für Rückfragen und Diskussion jan.opiela@web.de
Biblische Texte zum 15. Sonntag im Jahreskreis, C‘ 2022
Evangelium: nach Lukas 10, 25 – 37
Der barmherzige Samariter als Beispiel
25 Und siehe, ein Gesetzeslehrer stand auf, um Jesus auf die Probe zu stellen, und fragte ihn: Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu erben? 26 Jesus sagte zu ihm: Was steht im Gesetz geschrieben? Was liest du? 27 Er antwortete: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und deiner ganzen Seele, mit deiner ganzen Kraft und deinem ganzen Denken, und deinen Nächsten wie dich selbst. 28 Jesus sagte zu ihm: Du hast richtig geantwortet. Handle danach und du wirst leben! 29 Der Gesetzeslehrer wollte sich rechtfertigen und sagte zu Jesus: Und wer ist mein Nächster? 30 Darauf antwortete ihm Jesus: Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho hinab und wurde von Räubern überfallen. Sie plünderten ihn aus und schlugen ihn nieder; dann gingen sie weg und ließen ihn halbtot liegen. 31 Zufällig kam ein Priester denselben Weg herab; er sah ihn und ging vorüber. 32 Ebenso kam auch ein Levit zu der Stelle; er sah ihn und ging vorüber. 33 Ein Samariter aber, der auf der Reise war, kam zu ihm; er sah ihn und hatte Mitleid, 34 ging zu ihm hin, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie. Dann hob er ihn auf sein eigenes Reittier, brachte ihn zu einer Herberge und sorgte für ihn. 35 Und am nächsten Tag holte er zwei Denare hervor, gab sie dem Wirt und sagte: Sorge für ihn, und wenn du mehr für ihn brauchst, werde ich es dir bezahlen, wenn ich wiederkomme. 36 Wer von diesen dreien meinst du, ist dem der Nächste geworden, der von den Räubern überfallen wurde? 37 Der Gesetzeslehrer antwortete: Der barmherzig an ihm gehandelt hat. Da sagte Jesus zu ihm: Dann geh und handle du genauso!
Lesung: aus dem Buch Deuteronomium (= 5. Buch Mose) 30, 10 – 14
Das dem Menschen nahe Gebot
11 Denn dieses Gebot, auf das ich dich heute verpflichte, geht nicht über deine Kraft und ist nicht fern von dir. 12 Es ist nicht im Himmel, sodass du sagen müsstest: Wer steigt für uns in den Himmel hinauf, holt es herunter und verkündet es uns, damit wir es halten können? 13 Es ist auch nicht jenseits des Meeres, sodass du sagen müsstest: Wer fährt für uns über das Meer, holt es herüber und verkündet es uns, damit wir es halten können? 14 Nein, das Wort ist ganz nah bei dir, es ist in deinem Mund und in deinem Herzen, du kannst es halten.