Jan Opiéla, kath. Seelsorger
für ‚Roma u. Sinti‘ im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz
und Präses der Katholischen Landvolkbewegung im Erzbistum Köln
VI. Sonntag der Osterzeit B’24 Lesung: erster Johannesbrief 4, 7 – 10 und Evangelium: Johannes 15, 9 – 17, 05.05.2024
Sobald der Morgen graut, beginnt das große Summen, Brummen und Gezwitscher, womit nun dem Wonnemonat Mai alle Ehre gemacht wird; und falls das Wetter es zulässt, scheint sich der Mensch – ganz gleich in welcher Konstellation – dem auch in liebevoller Zuneigung anschießen zu wollen.
In der Tat stehen die Hochzeitstermine an und bei den letzten Vorbereitungsgesprächen resümieren wir schon mal die angestrebte, unverbrüchliche Partnerschaft mit dem (wieder) ganz bewusst geäußerten, unbedingten Kinderwunsch auf dem dunklen Hintergrund unserer Zeit. Da erlebe ich keine Weltsicht durch die rosarote Brille eines Honeymoon, sondern die Absicht, mit der Ehe und der Gründung einer Familie den täglichen Schreckensnachrichten nicht das letzte Wort geben zu wollen. Also eine Zeitenwende … jedoch diesmal in Sachen ‚Liebe‘!
Gleichfalls sind die Texte des heutigen Sonntags von dieser Botschaft völlig durchdrungen, nicht nur gemessen an der Häufigkeit (18x) des Wortes ‚liebe‘ in all seinen Variationen, sondern erst recht mit dem eindeutigen Auftrag ‚Liebt einander!‘ (Joh 15, 17). Ebenso wie in den von mir bis zu dreimal geführten Vorgesprächen zur Ehe wird hier im Evangelium die Tiefe dieser Liebe ausgelotet, wenn es da heißt: ‚Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe. Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt‘ (Joh 15, 12/13). Mit Blick auf das von Gott gesetzte Maß von ‚Liebe‘ im Kreuzestod Jesu, sind wir aufgefordert, uns entgegen eines ‚liebe deinen Nächsten wie dich selbst‘, nun völlig zurückzunehmen zu Gunsten meines Gegenübers, z.B. der Partnerin, dem Partner, Kindern oder Menschen, denen ich verbunden bin.
Wie nun in dieser Situation, wo Gott jetzt selbst das Maß der Liebe ist, als ein in allem begrenzter Mensch durchhalten und eben nicht die ‚Reißleine‘ zu ziehen? Nicht in einen Selbstschutz-Modus zu verfallen, der von Ausstieg, Trennung, Aufgeben über innere Distanz, Leere bis zu einem „so nebeneinander her“ alle ‚Spielarten‘ von Beziehung beinhalten kann.
Der Text vermittelt uns vier Aspekte, die in diesem Zusammenhang hilfreich sein könnten:
Indem Jesus uns nun nicht mehr ‚Knechte‘, die normaler Weise keinen Einblick in das Tun ihres Herrn erhalten, sondern ‚Freunde genannt‘ hat (vgl. Vers 15), werden Machtverhältnisse, z.B. zwischen den Geschlechtern abgebaut; auch erhält durch diese neue Beziehungsebene die Kommunikation einen ganz anderen Stellenwert und ist fortan wichtig, dass ich nun nachfrage und so ein Interesse an meinem Gegenüber bekunde (vgl. Vers. 15); ebenso ist ein Hin- und Zuhören erforderlich, weniger im Sinne, nun das ‚Gelabere‘ des/der anderen einfach aushalten zu sollen, sondern ganz im Gegenteil tief hineinzuhören, was in meinem Gegenüber verborgen liegt und hier im Evangelium von Jesus als das bezeichnet wird ‚… was ich von meinem Vater gehört habe‘ (vgl. Vers. 15), d.h. auf Spurensuche zu gehen, um ihn oder sie nach und nach mehr verstehen zu können; aber mit der wichtigste Punkt ist im Text umschrieben als ‚Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt …‘ (vgl. Vers. 16), womit ein stetes Werben in der Beziehung als ein sich gegenseitig bedingendes Tun verstanden werden muss, was eben nicht nur ein- und letztmalig erfolgt sein darf, womöglich noch in lauer Maiennacht.
All die Punkte sind nicht einer Rezeptur gleich, statisch abzuhandeln, sondern versprechen, situativ gesetzt, eine Dynamik, aus der bleibende Frucht erwächst (vgl. Vers 16).
In einem so gelebten Beziehungsgefüge kann dann ein gegenseitiges Beschenkt-sein erfahren werden, was das Evangelium mit dem bis dato vormals utopisch, verwirrenden Satz umschreibt ‚Dann wird euch der Vater (= Gott als Vater und Mutter) alles geben, um was ihr ihn in meinem Namen bittet‘ (vgl. Vers 16).
für Rückmeldungen und zur Diskussion jan.opiela@web.de
Biblische Texte zum 6. Sonntag in der Osterzeit im Lesejahr B‘ 2024
Lesung: aus dem ersten Johannesbrief ( 4, 7 – 10 )
GEMEINSCHAFT MIT GOTT IN DER LIEBE
Die Vollendung des Glaubens in der Liebe
7 Geliebte, wir wollen einander lieben; denn die Liebe ist aus Gott und jeder, der liebt, stammt von Gott und erkennt Gott. 8 Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt; denn Gott ist Liebe. 9 Darin offenbarte sich die Liebe Gottes unter uns, dass Gott seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben. 10 Darin besteht die Liebe: Nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat. 11 Geliebte, wenn Gott uns so geliebt hat, müssen auch wir einander lieben.12 Niemand hat Gott je geschaut; wenn wir einander lieben, bleibt Gott in uns und seine Liebe ist in uns vollendet. 13 Daran erkennen wir, dass wir in ihm bleiben und er in uns bleibt: Er hat uns von seinem Geist gegeben. 14 Wir haben geschaut und bezeugen, dass der Vater den Sohn gesandt hat als Retter der Welt. 15 Wer bekennt, dass Jesus der Sohn Gottes ist, in dem bleibt Gott und er bleibt in Gott.
Evangelium: Johannes 15, 9 – 17
Die zweite Abschiedsrede. Einheit mit und in Jesus. Der Hass der Welt
1 Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater ist der Winzer. 2 Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, schneidet er ab und jede Rebe, die Frucht bringt, reinigt er, damit sie mehr Frucht bringt. 3 Ihr seid schon rein kraft des Wortes, das ich zu euch gesagt habe. 4 Bleibt in mir und ich bleibe in euch. Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so auch ihr, wenn ihr nicht in mir bleibt. 5 Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen. 6 Wer nicht in mir bleibt, wird wie die Rebe weggeworfen und er verdorrt. Man sammelt die Reben, wirft sie ins Feuer und sie verbrennen. 7 Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, dann bittet um alles, was ihr wollt: Ihr werdet es erhalten.
8 Mein Vater wird dadurch verherrlicht, dass ihr reiche Frucht bringt und meine Jünger werdet.
9 Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe! 10 Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben, so wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe. 11 Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird.
12 Das ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, so wie ich euch geliebt habe. 13 Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt. 14 Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage. 15 Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe. 16 Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt. Dann wird euch der Vater alles geben, was ihr in meinem Namen erbittet. 17 Dies trage ich euch auf, dass ihr einander liebt. …