
Dient einander – jeder mit der Gabe, die er erhalten hat. So erweist ihr euch als gute Verwalter der Gnade, die Gott vielfältig schenkt. (1. Petr 4,10)
Jeden Herbst kommen Menschen zusammen und feiern Erntedank. Mit diesem Fest drücken wir unsere Dankbarkeit für die Gaben und Früchte der Erde, die Gott uns schenkt, und für die Arbeit der Menschen in der Landwirtschaft, die für unser täglich Brot sorgen, aus. In einer Welt, in der uns oft die rasche Veränderung und der schnelle Wandel begegnen, möchten die Katholische Landvolkbewegung Deutschland, die Evangelische Kirche in Deutschland, der Deutsche LandFrauenverband und der Deutsche Bauernverband diese Schnelllebigkeit durchbrechen und innehalten.
Wir lenken den Blick auf die grundlegenden Werte, die unser Leben und die Gemeinschaft prägen
und blicken dankbar auf das, was unsere Gesellschaft im Kern zusammenhält.
Besonders in ländlichen Regionen schaffen die Wurzeln der Tradition nicht nur ein kulturelles Erbe, sondern lassen auch das soziale Gefüge auf der Basis gemeinsamer Werte lebendig wachsen.
Sie schaffen Orientierung, fördern den Austausch zwischen Einzelnen und über Generationen hinweg und stiften dabei gleichzeitig Identität. Sie sind ein wichtiger Bestandteil des täglichen Lebens und tragen zur Stabilität und zum Wohlbefinden der Gemeinschaft bei. Gleichzeitig leben die ländlichen Räume vom Wandel, von neuen Ideen und Prägungen durch Menschen, aus den unterschiedlichsten Teilen dieser Welt. Für uns gehören zu den gemeinsamen Werten insbesondere Respekt und Achtung des Anderen, Vertrauen und Freiheit, Geborgenheit und Partizipation – Demokratie und Selbstverantwortung! Diese Werte gilt es zu stärken, damit wir als Gesellschaft auch in Zukunft handlungsfähig und solidarisch bleiben.
Sicherheit als Resultat eines gelingenden sozialen Zusammenlebens
Sicherheit bedeutet mehr als Schutz vor äußeren Bedrohungen; sie ist vor allem auch ein Gefühl
des Vertrauens und der Geborgenheit. Gerade in ländlichen Räumen ist das Gefühl von Sicherheit
oft das Resultat von starken, miteinander verbundenen Gemeinschaften, in denen jedes Mitglied
Verantwortung für das Wohl des Anderen trägt. Eine Gemeinschaft, die fest miteinander verbunden ist, kann Anderen gegenüber offen sein, ohne sich bedroht zu fühlen. Die Förderung von Vertrauen und sozialer Bindung ist ein wertvoller Beitrag, den jede und jeder Einzelne leisten kann, um ein sicheres und fürsorgliches Umfeld für alle zu schaffen.
Landwirtschaft als Akteur ländlicher Räume und ihrer lebendigen Entwicklung
Die ländlichen Räume definieren sich nicht nur über die Flächen, auf denen Landwirtschaft betrieben wird. Sie sind auch Heimat für Landwirtinnen und Landwirte, die eng mit ihrem Grund und Boden verbunden sind. Bäuerliche Familien tragen mit ihrem Engagement, außerhalb von Stall und Acker, gemeinsam mit anderen zur lebendigen Gestaltung der Gemeinschaft vor Ort und darüber hinaus bei. Dadurch leisten sie einen wichtigen Beitrag zu der gemeinsamen Aufgabe, Menschen zu vereinen und ein gerechtes Miteinander zu fördern. Dies geht weit über die Produktion von Nahrung hinaus, sie bieten gemeinsam mit anderen auch Identität und Orientierung.
Daseinsvorsorge durch Ehrenamt und Partizipation
Die Daseinsvorsorge ist das Fundament für das tägliche Leben in unseren Gemeinden. Sie stellt
sicher, dass alle Menschen Zugang zu den nötigen Ressourcen und Dienstleistungen haben. Hier
zeigt sich die Stärke des ehrenamtlichen Engagements. Wenn Menschen sich in Vereinen, Kirchengemeinden, in Nachbarschaft oder sozialen Initiativen engagieren, bringen sie nicht nur ihre Zeit und Energie ein, sondern auch ihre Vision für das Leben innerhalb einer „Caring Community“, einer Gemeinschaft, die füreinander sorgt. Ehrenamtliches Engagement darf jedoch nicht ausgenutzt werden, um die Lücken in Daseinsvorsorge und Infrastruktur zu füllen. Die Infrastruktur muss den Bedürfnissen der ländlichen Gemeinschaften gerecht werden. Voraussetzungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Zugang zu klimafreundlicher, zuverlässiger und bedarfsorientierter Mobilität, eine verlässliche digitale Anbindung sowie eigenständige Kommunen sind unabdingbare Grundlagen für das Leben in ländlichen Räumen. Für das Ehrenamt sind sie von zusätzlicher Bedeutung! Ohne gute Verkehrswege, ohne digitale Anbindung, ohne Familie und Beruf vereinbaren zu können und ohne politische Unterstützung ist Ehrenamt heute kaum leistbar.
Wir danken für die Gaben und Früchte der ländlichen Räume
Dankbar nehmen wir die Früchte der Erde in Empfang – jene, die uns nähren und stärken, und jene, die uns daran erinnern, wie wichtig ein respektvoller Umgang mit den natürlichen Ressourcen ist! Wir danken für die Arbeit der Bäuerinnen und Bauern, die den Boden bewirtschaften und bewahren, die Landschaften pflegen und für die Ernährung unserer Gesellschaft sorgen. Ihre Arbeit ist es, die uns das tägliche Brot bringt; und wir dürfen nicht vergessen, dass hinter jedem Produkt auch Verantwortung steht: Verantwortung für das Land, für die Tiere und für die nachfolgenden Generationen.
An diesem Erntedankfest danken wir ebenso für die Früchte des sozialen Zusammenlebens. Wir danken für die Menschen, die mit ihrem Engagement die Werte eines guten Miteinanders in den ländlichen Räumen leben. Möge der Dank, den wir heute ausdrücken, nicht nur in Worten, sondern auch in Taten weitergetragen werden. Mögen wir gemeinsam daran arbeiten, eine Zukunft zu gestalten, in der unsere ländlichen Räume auch in den kommenden Generationen ein Ort der Vielfalt, der Sicherheit und des Zusammenhalts bleiben.
