

von Jan Opiéla, kath. Seelsorger
für ‚Roma u. Sinti‘ im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz
und Präses der Katholischen Landvolkbewegung im Erzbistum Köln
7. Sonntag der Osterzeit A‘2023 Lesungen: Apg 1, 12 – 14 und Evangelium: Joh 17, 1 – 11a, 21.05.2023
„Ach, kannst DU dich noch erinnern?“, meint man viele Paarkonstellationen an den dafür ‚typischen Orten‘ sagen hören, sei es in Paris, Rom, Prag oder auch sonst an ganz romantisch, verschwiegenen Plätzen im Irgendwo dieses Planeten. Da werden Erinnerungen wach gerufen an bestimmte Momente in der Beziehung … vorausgesetzt, der Mensch an meiner Seite mit dem ich das Erleben teilen durfte, ist mir noch begreifbar nahe!
Doch für die Apostelgruppe und die Frauen in Begleitung von Maria, hier von der Apostelgeschichte berichtet, ist diese Bezugsperson Jesus, besonders mit ‚Christi Himmelfahrt‘, erst recht nicht mehr begreifbar. Dennoch ziehen sie sich im Obergemach (vgl. Vers 13), höchst wahrscheinlich dem Abendmahlsaal, als einem ‚Sehnsuchtsort‘ gleich, zurück. Da wo sie vielleicht die intensivste Nähe zu IHM verspürt hatten im Teilen von Brot und Wein, was ja allen bereits in Fleisch und Blut übergegangen sein sollte als die neue Real-Präsenz der Person Jesu. Aber dennoch scheinen sie nun ständig diesem Erinnerungsort verhaftet bleiben zu wollen und meinen möglicherweise sogar, einmütig im Gebet (vgl. Vers 14), das Unmögliche wieder Wirklichkeit werden zu lassen: IHN auf dem Hintergrund all des Erlebten, von begeisternden und ihr Leben verändernden Reden von Gott, über spektakuläre Massenspeisungen bis hin zu wunderbaren Heilungen lebendig begreifen zu dürfen.
So wie wir uns das manchmal in Tagträumen vorstellen mögen, kann nach all dem von Jesus Durchlebten von Leid, Tod und den verwirrend, widersprüchlichen Begegnungserfahrungen mit dem ‚auferstandenen Christus‘ nicht wieder bruchlos am Alten angeknüpft werden. All das führt dann, wie momentan an ‚Kirche‘ Tag für Tag zu sehen, zu einer immer größer werdenden Distanz und Realitätsferne zum Lebensumfeld und dem aktuellen Zeitgeschehen.
Diese Gefahr der Abkapselung der Jesus-Gruppen und den schon entstandenen Gemeinden in den Anfängen von ‚Kirche‘ muss der Hintergrund für den Johannes Evangelisten gewesen sein, um mit seiner Hoffnungsbotschaft, gleich einem Weckruf in der Form eines programmatischen Abschiedsgebetes Jesu, einen Transfer wieder zurück in die Lebensrealität zu bieten.
Wichtigste Voraussetzung dafür ist, die Realität klar zu erkennen und für sich benennen zu können, ‚Ich bin nicht mehr in der Welt aber sie sind in der Welt und ich gehe zu dir‘ (Vers 11a). Dann erst wieder lässt sich ggf. das Schneckenhaus der Zurückgezogenheit verlassen, so dass nun der Horizont sichtbar wird und einen Blick über den eigenen Tellerrand erlaubt, ‚Alles was mein ist, ist dein und was dein ist, ist mein; in ihnen bin ich verherrlicht‘ (Vers 10). Erst so lässt sich dann eine, ohne jeweils von tiefen Emotionen erschütterte Rückbindung mit dem Vergangenen herstellen, ‚Für sie bitte ich, nicht für die Welt bitte ich, sondern für alle, die du mir gegeben hast, denn sie gehören dir.‘ (Vers 9), was dann nochmals eher zu bewerkstelligen ist, wenn wir eingebettet sind in eine Gemeinschaft von vertrauten Frauen und Männern, die sich in einem gemeinsam formulierten Auferstehungsglauben gegenseitig bestärken können (vgl. Vers 8).
Aufgrund der von Johannes in diesem Zusammenhang häufig gebrauchten Worte von ‚offenbaren, erkennen, annehmen, festhalten‘, wird deutlich, dass die damaligen Gemeinden noch völlig auf diesen nicht mehr existenten Jesus fixiert waren und Gefahr laufen, wie in einer Schockstarre zu verenden. Denn aus ‚sitzen, trauern, hoffen‘ und allein mit ‚beten‘ wird noch keine ‚Gotteserkenntnis‘, wenn da nicht auch ein ‚Bruch‘ im Sinne eines ‚Aufbruches‘ einhergeht. Das wiederum kann ganz viel beinhalten mit Blick auf die persönlichen Lebensumstände, bestimmte Gemeindesituationen und Personenkonstellationen bis hin zu tradierter Kirchlichkeit.
Ziel bleibt jedoch, ein ‚in der Welt sein‘ (vgl. Vers 11a), denn nur als interessierte Menschen wird Gottes-Erkenntnis möglich sein.
für Rückmeldungen und zur Diskussion jan.opiela@web.de
Texte zum 7. Sonntag in der Osterzeit im Lesejahr A‘ 2023
Lesung: Apostelgeschichte ( 1, 12 – 14 )
DIE KIRCHE IN JERUSALEM
Weisungen und Himmelfahrt des Auferstandenen
4 Beim gemeinsamen Mahl gebot er ihnen: Geht nicht weg von Jerusalem, sondern wartet auf die Verheißung des Vaters, die ihr von mir vernommen habt! 5 Denn Johannes hat mit Wasser getauft, ihr aber werdet schon in wenigen Tagen mit dem Heiligen Geist getauft werden. 6 Als sie nun beisammen waren, fragten sie ihn: Herr, stellst du in dieser Zeit das Reich für Israel wieder her? 7 Er sagte zu ihnen: Euch steht es nicht zu, Zeiten und Fristen zu erfahren, die der Vater in seiner Macht festgesetzt hat. 8 Aber ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde. 9 Als er das gesagt hatte, wurde er vor ihren Augen emporgehoben und eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken. 10 Während sie unverwandt ihm nach zum Himmel emporschauten, siehe, da standen zwei Männer in weißen Gewändern bei ihnen 11 und sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor? Dieser Jesus, der von euch fort in den Himmel aufgenommen wurde, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen. 12 Dann kehrten sie von dem Berg, der Ölberg genannt wird und nur einen Sabbatweg von Jerusalem entfernt ist, nach Jerusalem zurück.[2]
Die betende Urgemeinde
13 Als sie in die Stadt kamen, gingen sie in das Obergemach hinauf, wo sie nun ständig blieben: Petrus und Johannes, Jakobus und Andreas, Philippus und Thomas, Bartholomäus und Matthäus, Jakobus, der Sohn des Alphäus, und Simon, der Zelot, sowie Judas, der Sohn des Jakobus. 14 Sie alle verharrten dort einmütig im Gebet, zusammen mit den Frauen und Maria, der Mutter Jesu, und seinen Brüdern.[3]
Evangelium: Johannes ( 17, 1 – 11a )
Das Gebet des scheidenden Jesus
1 Dies sprach Jesus. Und er erhob seine Augen zum Himmel und sagte: Vater, die Stunde ist gekommen. Verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrlicht! 2 Denn du hast ihm Macht über alle Menschen gegeben, damit er allen, die du ihm gegeben hast, ewiges Leben schenkt. 3 Das aber ist das ewige Leben: dass sie dich, den einzigen wahren Gott, erkennen und den du gesandt hast, Jesus Christus. 4 Ich habe dich auf der Erde verherrlicht und das Werk zu Ende geführt, das du mir aufgetragen hast. 5 Jetzt verherrliche du mich, Vater, bei dir mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, bevor die Welt war! 6 Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast. Sie gehörten dir und du hast sie mir gegeben und sie haben dein Wort bewahrt. 7 Sie haben jetzt erkannt, dass alles, was du mir gegeben hast, von dir ist. 8 Denn die Worte, die du mir gabst, habe ich ihnen gegeben und sie haben sie angenommen. Sie haben wahrhaftig erkannt, dass ich von dir ausgegangen bin, und sie sind zu dem Glauben gekommen, dass du mich gesandt hast. 9 Für sie bitte ich; nicht für die Welt bitte ich, sondern für alle, die du mir gegeben hast; denn sie gehören dir. 10 Alles, was mein ist, ist dein, und was dein ist, ist mein; in ihnen bin ich verherrlicht. 11 Ich bin nicht mehr in der Welt, aber sie sind in der Welt und ich komme zu dir. Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins sind wie wir! 12 Solange ich bei ihnen war, bewahrte ich sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast. Und ich habe sie behütet und keiner von ihnen ging verloren, außer dem Sohn des Verderbens, damit sich die Schrift erfüllte.[1] 13 Aber jetzt komme ich zu dir und rede dies noch in der Welt, damit sie meine Freude in Fülle in sich haben. 14 Ich habe ihnen dein Wort gegeben und die Welt hat sie gehasst, weil sie nicht von der Welt sind, wie auch ich nicht von der Welt bin. 15 Ich bitte nicht, dass du sie aus der Welt nimmst, sondern dass du sie vor dem Bösen bewahrst. 16 Sie sind nicht von der Welt, wie auch ich nicht von der Welt bin. 17 Heilige sie in der Wahrheit; dein Wort ist Wahrheit. 18 Wie du mich in die Welt gesandt hast, so habe auch ich sie in die Welt gesandt. 19 Und ich heilige mich für sie, damit auch sie in der Wahrheit geheiligt sind. 20 Ich bitte nicht nur für diese hier, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben. 21 Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast. 22 Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, damit sie eins sind, wie wir eins sind, 23 ich in ihnen und du in mir. So sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt hast und sie ebenso geliebt hast, wie du mich geliebt hast. 24 Vater, ich will, dass alle, die du mir gegeben hast, dort bei mir sind, wo ich bin. Sie sollen meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast, weil du mich schon geliebt hast vor Grundlegung der Welt. 25 Gerechter Vater, die Welt hat dich nicht erkannt, ich aber habe dich erkannt und sie haben erkannt, dass du mich gesandt hast. 26 Ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, damit die Liebe, mit der du mich geliebt hast, in ihnen ist und ich in ihnen bin.