
Jan Opiéla, kath. Seelsorger
für ‚Roma u. Sinti‘ im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz
und Präses der Katholischen Landvolkbewegung im Erzbistum Köln
Lesung: aus dem Buch Maleáchi 3, 19 – 20b und Evangelium: Lukas 21, 5 – 19
am 33. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C 2022, 13.11.2022
Mein Blick streifte vom Balkon aus über den dunklen und inzwischen leeren Kirchplatz, so kann ich mich noch gut erinnern, als ich im Pfarrsaal ein ständiges Ein / Aus der vollen Saalbeleuchtung wahrnahm. Wäre ich eine Komikfigur, befänden sich in meiner Sprechblase nun fürchterliche Ausdrücke, doch stattdessen, verantwortungsbewusst runter in den Saal. Das kleine Männlein was da den Lichtschalter traktierte, antwortete ganz verdutzt auf mein vorwurfvolles Fragen „Ich wollte mal sehen, wie das so ist!“
Gemeint war wohl dieses Spiel zwischen Hell und Dunkel, ähnlich wie zwischen Laut und Leise, wenn sich mitten im Getöse die Kleinen wechselweise immer wieder die Fingen tief in die Ohren stecken.
Wir Erwachsenen kennen das schon und können uns besonders im Bereich der Gefühle kaum ein extremes Wechselbad erlauben. So wird eben in der kühlen und dunklen Jahreszeit die Heizung aufgedreht, das Sonnenstudio besucht oder der Urlaub in der Karibik gebucht. Auch kauen wir ja schon seit Ende der Herbstferien auf Spekulatius herum und werden wir bereits Anfang November im Baumarkt mit dem Aufsteller begrüßt ‚Einfach Weihnachten‘!
Auch extreme Ereignisse wie der Tod der eigenen Mutter stellen keinen tieferen Einschnitt dar, höchstens dass sich irgendwann einmal Familie an einem allseits günstigen Termin zur Beisetzung der Urne trifft … das Leben muss halt weiter gehen!
Im heutigen Evangelium wird mit der Endzeitrede des Lukas dahingegen eine unwahrscheinliche Drohkulisse des Überganges in Szene gesetzt. Das mit dem Tempel, dem Monument gleich fixierte Göttliche, was der Mensch glaubte, so in Stein für sich gesichert zu haben, rinnt ihm nun wie Sand durch die Finger. Die als kompetente Leitfiguren, angesehenen Propheten missbrauchen ihren Vertrauensvorschub und mit den Kriegen, Seuchen und einhergehenden Katastrophen wird den Menschen ihre Existenzgrundlage entzogen. Nicht zuletzt büßen sie im Gefängnis auch noch ihre persönliche Bewegungsfreiheit ein, zudem selbst jegliche Verteidigungsrede über das schuldlos
Erlittene nutzlos ist. All das spiegelt sich schlussendlich auch noch in der Zerrissenheit der
Familien wieder, wo zumindest damals noch die Zugehörigkeit zu den Christen ursächlich für das totale Zerwürfnis war.
All das ist nun nicht blühende Phantasie oder Angstmacherei des Autors, sondern gibt Erlebtes aus seiner Zeit wieder. Wohlgemerkt mit einem zeitlichen Abstand von gut 10 Jahren, was zu denken gibt!
Also keine Berichterstattung der Ereignisse, keine Zeitangabe über das Ende der Welt und gleichfalls auch keine christliche Wahrsagerei, denn wir leben ja heute noch, nach weitaus größeren und extrem Welt erschütternden Ereignissen. Vielleicht möchte Lukas ja für uns markieren, was sich jeglicher Beschreibung entzieht, nämlich den Übergang selbst: von der menschlichen Hinfälligkeit zur göttlichen Beständigkeit, dem Sein zur Nicht-Begreiflichkeit und einer alles, taktenden Zeit zur Ewigkeit. Damit durch unsere Verdrängungsmechanismen Lebensübergänge auf Dauer nicht zu Traumata gleichen Ereignissen werden, ist es notwendig, Übergänge wieder spürbar werden zu lassen.
Kirchlich wird uns der Advent als eine durch Zurückhaltung gedämpfte Übergangszeit angeboten, eingetaucht in violette liturgische Farbgebung. Damit wir auf Weihnachten und das erneute Begreifbar werden der Menschwerdung Gottes hin Sehnsucht entwickeln können, wieder Hoffnung keimen kann, trotz aller weltpolitischer Dunkelheit und sich Vertrauen aufbauen lässt über das Kind in der Krippe, was uns an Weihnachten trotz allem menschlich Abgründigen höchst widersinnig auf das Göttliche im Menschen hinweist.
für Rückmeldungen und zur Diskussion jan.opiela@web.de
Biblische Texte zum 33. Sonntag im Jahreskreis C‘ 2022
Lesung: aus dem Buch Maleáchi (3, 19 – 20b)
(Der Tag der göttlichen Gerechtigkeit)
13 Was ihr über mich sagt, ist kühn, / spricht der HERR. Doch ihr fragt: Was sagen wir denn über dich? 14 Ihr sagt: Es hat keinen Sinn, Gott zu dienen. / Was haben wir davon, wenn wir auf seine Anordnungen achten und vor dem HERRN der Heerscharen / in Trauergewändern umhergehen? 15 Darum preisen wir die Überheblichen glücklich, denn die Frevler haben Erfolg; / sie stellen Gott auf die Probe und kommen doch straflos davon. 16 Darüber redeten die miteinander, die den HERRN fürchten. / Der HERR horchte auf und hörte hin. Und man schrieb vor ihm ein Buch, das alle in Erinnerung hält, / die den HERRN fürchten und seinen Namen achten. 17 Sie werden an dem Tag, den ich herbeiführe / – spricht der HERR der Heerscharen -, mein besonderes Eigentum sein. Ich werde gut zu ihnen sein, / wie ein Mann gut ist zu seinem Sohn, der ihm dient. 18 Dann werdet ihr wieder den Unterschied sehen zwischen dem Gerechten und dem Frevler, / zwischen dem, der Gott dient, und dem, der ihm nicht dient. 19 Denn seht, der Tag kommt, er brennt wie ein Ofen: / Da werden alle Überheblichen und alle Frevler zu Spreu und der Tag, der kommt, wird sie verbrennen, / spricht der HERR der Heerscharen. Weder Wurzel noch Zweig wird ihnen dann bleiben. 20 Für euch aber, die ihr meinen Namen fürchtet, / wird die Sonne der Gerechtigkeit aufgehen / und ihre Flügel bringen Heilung. Ihr werdet hinausgehen und Freudensprünge machen / wie Kälber, die aus dem Stall kommen. 21 Und ihr werdet die Ruchlosen zertreten, / sodass sie unter euren Fußsohlen zu Asche werden, an dem Tag, den ich herbeiführe, / spricht der HERR der Heerscharen.
Evangelium: nach Lukas (21, 5-19)
(Die Ankündigung der Zerstörung des Tempels)
5 Als einige darüber sprachen, dass der Tempel mit schön bearbeiteten Steinen und Weihegeschenken geschmückt sei, sagte Jesus: 6 Es werden Tage kommen, an denen von allem, was ihr hier seht, kein Stein auf dem andern bleibt, der nicht niedergerissen wird.
(Der Anfang der endzeitlichen Not)
7 Sie fragten ihn: Meister, wann wird das geschehen und was ist das Zeichen, dass dies geschehen soll? 8 Er antwortete: Gebt Acht, dass man euch nicht irreführt! Denn viele werden unter meinem Namen auftreten und sagen: Ich bin es! und: Die Zeit ist da. – Lauft ihnen nicht nach! 9 Wenn ihr von Kriegen und Unruhen hört, lasst euch nicht erschrecken! Denn das muss als Erstes geschehen; aber das Ende kommt noch nicht sofort. 10 Dann sagte er zu ihnen: Volk wird sich gegen Volk und Reich gegen Reich erheben. 11 Es wird gewaltige Erdbeben und an vielen Orten Seuchen und Hungersnöte geben; schreckliche Dinge werden geschehen und am Himmel wird man gewaltige Zeichen sehen. 12 Aber bevor das alles geschieht, wird man Hand an euch legen und euch verfolgen. Man wird euch den Synagogen und den Gefängnissen ausliefern, vor Könige und Statthalter bringen um meines Namens willen. 13 Dann werdet ihr Zeugnis ablegen können. 14 Nehmt euch also zu Herzen, nicht schon im Voraus für eure Verteidigung zu sorgen; 15 denn ich werde euch die Worte und die Weisheit eingeben, sodass alle eure Gegner nicht dagegen ankommen und nichts dagegen sagen können. 16 Sogar eure Eltern und Geschwister, eure Verwandten und Freunde werden euch ausliefern und manche von euch wird man töten. 17 Und ihr werdet um meines Namens willen von allen gehasst werden. 18 Und doch wird euch kein Haar gekrümmt werden. 19 Wenn ihr standhaft bleibt, werdet ihr das Leben gewinnen.