

Jan Opiéla, kath. Seelsorger
für ‚Roma u. Sinti‘ im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz
und Präses der Katholischen Landvolkbewegung im Erzbistum Köln
24. Sonntag im Jahreskreis A‘2023 Lesung: aus dem Buch Jesus Sirach (27, 30 – 28, 7) und Evangelium: Matthäus 18, 21 – 35, 17.09.2023
Regenbogenfahnen als öffentliche Solidaritätsbekundungen finden sich allenthalben besonders vor Kirchen, genau da, wo es im Moment eher eintönig, gar trostlos ist. Bisweilen setzt sich dies im Innenraum fort mit Regenbogenbannern, einer einzelnen, auffällig platzierten Parkbank im Regenbogenlook oder, wie in der sehenswürdigen Autobahnkirche Baden-Baden, Regenbogen-Sitzkissen auf jedem Platz, wobei ich mir nicht vorstellen kann, dass die lbtq-Community sich von uns so in Be-sitz genommen wissen will.
Das Gendern hingegen ist schon frühzeitig von Kirchenoberen abgeblockt worden und ist nur noch im Jugendverband Katholisch Studierende Jugend zu finden. Gott* wolle man so aus der geschlechtlichen Ebene herausheben, weg von dem alten Mann mit weißem Bart und hin zu einer Gottes*-vielfalt kommen, was eben verlangt, Gott* vorurteilsfrei wahrzunehmen, denn schließlich sei Gott* keinem Geschlecht zuzuordnen, so die KSJ. Der Verband will sich da mit seiner Entscheidung auf einer Linie mit dem Heiligen Ignatius von Loyola wissen, wonach Gott in allen Dingen zu suchen und auch zu finden ist.
Doch genau diese Frage nach dem ‚Wer ist Gott?‘, ist auf dem Hintergrund der heute eher krampfhaft erscheinenden Aktionen vielleicht damals vom Evangelisten schon ganz bewusst nicht gestellt worden, zumal es bei der Begegnung mit ‚meinem‘ Gott doch ausschließlich darauf ankommen wird, wie er (m/f/d) ist.
Das lotet hier Petrus mit der Frage aus, „Wie oft muss ich meinem Bruder vergeben, wenn er sich gegen mich versündigt?“ (Vers 21). Da Petrus schon so eine leise Vorahnung mit Blick auf Jesu Umgang mit den Menschen gehabt haben musste, legte er auf das jüdische Vergebungsmaß von drei, gleich noch mal vier drauf, nach dem Motto: ‚dann ist es aber gut … und Schwamm drüber‘! Und da die völlig überraschende Antwort mit 77mal absolut unrealistisch ist, kommt es nicht auf die Quantität, sondern auf die Qualität an, das heißt, die Grundhaltung des Vergebens ist ausschlaggebend.
Genau das stimmt ganz offensichtlich in der von Jesus benutzten Lehrgeschichte (Parabel) nicht, wenn der erlassenen Un-Summe von ca. 21 Mio. €, ungefähr 35,- € gegenüberstehen und dann noch aufs grausamste eingefordert werden sollen. Verständlich, dass Jesus so extrem reagiert, wenn nun der König in seinem Zorn den Knecht, der so viel Größe erfahren hat und im Kleinen selber nicht hat walten lassen, den Folterknechten übergab und dann die Parallele zieht „… ebenso wird mein himmlischer Vater jeden von euch behandeln …“ (Vers 35).
Und schon scheint es wieder da zu sein, das alte Bild, was uns von klein an durch unser kirchliches Dasein begleitet, dass Gott, hier in der Lehrgeschichte, der König, doch ein rächender und strafender Gott sein muss. Das aber, deshalb stellt es der Evangelist so da, nur um uns im Verhalten Gottes widerzuspiegeln, wie wir selber sind, und dass wir noch nicht zu einer qualitativen Grundhaltung des Vergebens gekommen sind.
Ich muss mich also ändern, und eben nicht nur ein bisschen, vielleicht möglicherweise noch mehr oder gar viel mehr, sondern radikal. Und das ist die Essenz der vom Evangelisten übermittelten Parabel, wo Petrus, der Mensch, fragt und Jesus, folglich Gott, antwortet und damit hier über sein Wesen Auskunft gibt und einen Einblick in sein Sein.
Doch wie zu diesem Perspektivwechsel, der Blickänderung kommen, dass Gott selber die Güte ist? Doch das zieht sich ja schon wie ein ‚roter Faden‘ durch die Liturgie, dem wir nur folgen brauchten: da wird im Bußakt schon von vornherein vergeben, ganz gleich was auch vorgefallen sein mag, lassen wir das vergebende Wort des Evangeliums in uns eindringen und dürfen die Güte in der Kommunion dann ganz in uns aufnehmen, es gleichsam nun – mit Verlaub- ‚gefressen‘ haben: von ganzem Herzen zu vergeben, da die Güte Gottes von Anbeginn alles, was wir schätzen, schon lange überstiegen hat.
für Rückmeldungen und Diskussion jan.opiela@web.de
Biblische Texte zum 24. Sonntag im Jahreskreis A‘ 2023
Lesung: aus dem Buch Jesus Sirach (27, 30 – 28, 7)
Geheimnisverrat und Hinterlist
16 Wer Geheimnisse verrät, zerstört das Vertrauen, / er findet nie mehr einen Freund, der zu ihm steht. 17 Liebe den Freund und vertraue ihm! / Hast du seine Geheimnisse verraten, / laufe ihm nicht mehr nach! 18 Denn wie ein Mensch seinen Feind vernichtet hat, / so hast du die Freundschaft des Nächsten vernichtet. 19 Wie du einen Vogel aus deiner Hand hast fliegen lassen, / so hast du den Nächsten aufgegeben und wirst ihn nie mehr einfangen. 20 Lauf ihm nicht nach, denn er ist schon weit entfernt, / wie eine Gazelle aus der Schlinge ist er entflohen. 21 Eine Wunde lässt sich verbinden / und für eine Beleidigung gibt es Versöhnung, doch wer Geheimnisse verraten hat, hat keine Hoffnung. 22 Wer mit dem Auge zwinkert, plant Böses, / niemand bringt ihn davon ab.[1] 23 Für deinen Blick wird sein Mund alles versüßen / und er bewundert deine Worte; nachher aber wird er seinen Mund verziehen / und macht, dass deine Worte Anstoß erregen. 24 Vieles ist mir verhasst, aber nichts ist mit ihm vergleichbar; / auch der Herr wird ihn hassen. 25 Wer einen Stein in die Höhe wirft, trifft seinen eigenen Kopf, / und wer hinterlistig schlägt, reißt Wunden auf. 26 Wer eine Grube gräbt, fällt selbst hinein, / wer eine Schlinge legt, verfängt sich in ihr. 27 Wer Böses tut, auf den rollt es zurück / und er weiß nicht, woher es ihm kommt. 28 Spott und Schimpf treffen den Hochmütigen, / wie ein Löwe lauert die Rache auf ihn. 29 In der Schlinge werden gefangen, die sich am Fall der Frommen erfreuen, / der Schmerz verzehrt sie vor ihrem Tod. 30 Groll und Zorn, auch diese sind Gräuel / und ein sündiger Mann hält an ihnen fest.
Zorn, Streit und Vergebung
1 Wer sich rächt, erfährt Rache vom Herrn / seine Sünden behält er gewiss im Gedächtnis. 2 Vergib deinem Nächsten das Unrecht, / dann werden dir, wenn du bittest, deine Sünden vergeben! 3 Ein Mensch verharrt gegen einen Menschen im Zorn, / beim Herrn aber sucht er Heilung? 4 Mit einem Menschen gleich ihm hat er kein Erbarmen, / aber wegen seiner Sünden bittet er um Verzeihung? 5 Er selbst – ein Wesen aus Fleisch, verharrt im Groll. / Wer wird seine Sünden vergeben? 6 Denk an das Ende, lass ab von der Feindschaft, / denk an Untergang und Tod und bleib den Geboten treu! 7 Denk an die Gebote und grolle dem Nächsten nicht, / denk an den Bund des Höchsten und übersieh die Fehler!
Evangelium: Matthäus 18, 21 – 35 Über die Pflicht zur Vergebung 21 Da trat Petrus zu ihm und fragte: Herr, wie oft muss ich meinem Bruder vergeben, wenn er gegen mich sündigt? Bis zu siebenmal? 22 Jesus sagte zu ihm: Ich sage dir nicht: Bis zu siebenmal, sondern bis zu siebzigmal siebenmal. 23 Mit dem Himmelreich ist es deshalb wie mit einem König, der beschloss, von seinen Knechten Rechenschaft zu verlangen.[2] 24 Als er nun mit der Abrechnung begann, brachte man einen zu ihm, der ihm zehntausend Talente schuldig war. 25 Weil er aber das Geld nicht zurückzahlen konnte, befahl der Herr, ihn mit Frau und Kindern und allem, was er besaß, zu verkaufen und so die Schuld zu begleichen. 26 Da fiel der Knecht vor ihm auf die Knie und bat: Hab Geduld mit mir! Ich werde dir alles zurückzahlen. 27 Der Herr des Knechtes hatte Mitleid, ließ ihn gehen und schenkte ihm die Schuld. 28 Als nun der Knecht hinausging, traf er einen Mitknecht, der ihm hundert Denare schuldig war. Er packte ihn, würgte ihn und sagte: Bezahl, was du schuldig bist! 29 Da fiel der Mitknecht vor ihm nieder und flehte: Hab Geduld mit mir! Ich werde es dir zurückzahlen. 30 Er aber wollte nicht, sondern ging weg und ließ ihn ins Gefängnis werfen, bis er die Schuld bezahlt habe. 31 Als die Mitknechte das sahen, waren sie sehr betrübt; sie gingen zu ihrem Herrn und berichteten ihm alles, was geschehen war. 32 Da ließ ihn sein Herr rufen und sagte zu ihm: Du elender Knecht! Deine ganze Schuld habe ich dir erlassen, weil du mich angefleht hast. 33 Hättest nicht auch du mit deinem Mitknecht Erbarmen haben müssen, so wie ich mit dir Erbarmen hatte? 34 Und in seinem Zorn übergab ihn der Herr den Peinigern, bis er die ganze Schuld bezahlt habe. 35 Ebenso wird mein himmlischer Vater euch behandeln, wenn nicht jeder seinem Bruder von Herzen vergibt.