
Jan Opiéla, kath. Seelsorger
für ‚Roma u. Sinti‘ im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz
und Präses der Katholischen Landvolkbewegung im Erzbistum Köln
zu den biblischen Texten (Lesung) 1 Kor 12, 31 – 13, 13 und (Evangelium) Lk 4, 21-30 am 4. Sonntag i. J. , Lesejahr C 2022, am 30.01.2022
„Alles Liebe oder was?!“ … natürlich und wenn man(n)/frau den Text der Lesung (1 Kor 12, 31 – 13, 13) ein wenig nachwirken lässt, stellt sich auch die Erinnerung ein, gegebenenfalls an die eigene Trauung, denn da spielte das sogenannte ‚Hohe Lied der Liebe‘ bestimmt den zentralen Dreh- und Angelpunkt in der Hochzeitsliturgie. Im selben Moment wo vor dem inneren Auge nochmal so die roten Herzchen-Luftballons aufzusteigen beginnen und vielleicht ein unhörbares ‚Ach!‘ gedacht wird, schießt die harte Realität des Evangeliums (Lk 4, 21-30) dazwischen. ‚Als die Leute in der Synagoge das hörten, gerieten sie alle in Wut. Sie sprangen auf und trieben Jesus zur Stadt hinaus; sie brachten ihn an den Abhang des Berges, auf dem ihre Stadt erbaut war, und wollten ihn hinabstürzen (Vers 29). … und nach und nach zerplatzt die Liebe … halt wie im echten Leben, oder?
Dabei hatte für Jesus der Besuch in der Synagoge seines Heimatdorfes Nazaret so positiv begonnen, denn ‚seine Rede fand bei Allen Beifall; sie staunten darüber, wie begnadet er redete‘ (Vers 22). Er schien es wohl zu verstehen, das aus der Tora-Rolle Gelesene so auszulegen, dass den Zuhörenden ‚Wort Gottes‘ ganz greifbar nahe wurde und zwar nicht über Lehrformeln, sondern allein aus seinem Innersten heraus.
Dann der Zwischenruf ‚Ist das nicht der Sohn Josefs?‘ (Vers22), der mit einem Schlag alles verändern sollte. Zumindest bei den Anwesenden ein Kopf-Kino in Gang setzt: ‚ach der, welcher als 30jähriger, noch unverheiratet, immer wieder zu Hause rumhängt‘ ‚seltsam war schon seine Geburt und ob Josef wohl der Erzeuger ist?‘ ‚überhaupt, was hat uns der, mit dem wir die Schulbank gedrückt haben, schon zu sagen!‘. Mit einem Mal wird die Größe auf Normalmaß gebracht und die Weite auf Überschaubarkeit, die Freiheit begrenzt und damit jeglicher Aufbruch zunichte gemacht, denn ‚Was nicht sein darf, das gibt es auch nicht!‘. Demzufolge kann Jesus weder Prophet noch Redner, weder Rabbi und schon gar nicht begnadet sein und ‚Gott behüte‘, Sohn Gott?! Und so meinten sie, Jesus wieder als einen der ihrigen ansehen zu können, dem man kumpelhaft auf die Schulter klopft und ein Wunder aus der Jacke zu leiern versucht.
Jesus jedoch liest förmlich ihre Gedanken und kommt ihrer Häme zuvor, indem er sie im Spiegel ihrer Kleinheit erscheinen lässt, sie vorführt und nun mit Argumenten überführen will. Zunächst mit der persönlichen Begründung ‚Arzt heile dich selbst!‘ (Vers 23) und der bis in unsere Zeit als Sprichwort erhaltenen Feststellung ‚Kein Prophet wird in seiner Heimat anerkannt‘ (Vers 23), was den Zuhörern schon mächtig überheblich vorgekommen sein dürfte. Erst recht seine eigene geschichtliche Einordnung und Rechtfertigung mit dem Querverweis auf die Schriften seiner Zeit (heute unser altes Testament), wo dem einen oder anderen ‚so ein Klugscheißer!‘ entfahren sein wird. Und zu guter Letzt auch noch die Erinnerung an die Schmach, dass unter dem Propheten Elischa nur ein Ausländer, nämlich der Syrer Naaman, Heilung erfahren durfte und kein eigener Volksangehöriger, was unverschämt und schmerzlich zugleich ist und es folglich zum Knall kommen musste. Doch die wütende Menge mit ihren Rachegedanken und Lynchabsichten erreichen IHN nicht, denn ‚er schritt mitten durch die Menge hindurch und ging weg (Vers 10).
Wahre Liebe und Größe wird von Kleinheit nicht tangiert, lässt sich nicht erdrücken, verzwecken, da sie von uns kaum begreifbar ist, denn ‚sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand (1Kor 13, 7). Wer sie erfahren hat, muss dieser Feststellung unumwunden zustimmen, denn ganz gleich ob die Liebesbeziehung nur vorübergehend war, der oder diejenige für einen bereits ‚gestorben‘ ist oder tatsächlich nicht mehr unter uns weilt ‚die Liebe hört niemals auf‘ (Vers 8), sie ist ‚geliebt‘ und lässt sich selbst über noch so viele menschliche Niederungen hinweg nicht ungeschehen machen und bleibt.
Ansonsten käme z.B. selbst eine ‚kirchliche‘ Verkündigung in noch so ‚Engel gleicher‘ und ‚Menschen naher‘ Sprache wie ‚dröhnendes Erz‘ oder ‚eine lärmende Pauke‘ (Vers 1) rüber und könnte es noch so gebildet und wegweisend -in unser real existierenden kirchlichen Situation- zugehen, fehlt die ‚Liebe‘ -wie jetzt juristische Gutachten in unerträglicher Fülle zu Tage gefördert haben- so kommen die Verkünder einem Nichts gleich (vgl. Vers 2).
für Rückmeldungen und Diskussion jan.opiela@web.de
Biblische Texte zum 4. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C‘ 22
Lesung aus dem ersten brief des Apostel Paulus an die Korinther (1Kor 12,31 – 13,13)
Der Weg der Liebe
31 Strebt aber nach den höheren Gnadengaben! Dazu zeige ich euch einen überragenden Weg:
1 Wenn ich in den Sprachen der Menschen und Engel redete, / hätte aber die Liebe nicht, / wäre ich dröhnendes Erz oder eine lärmende Pauke. 2 Und wenn ich prophetisch reden könnte / und alle Geheimnisse wüsste / und alle Erkenntnis hätte; / wenn ich alle Glaubenskraft besäße / und Berge damit versetzen könnte, / hätte aber die Liebe nicht, / wäre ich nichts. 3 Und wenn ich meine ganze Habe verschenkte / und wenn ich meinen Leib opferte, um mich zu rühmen, / hätte aber die Liebe nicht, / nützte es mir nichts. 4 Die Liebe ist langmütig, / die Liebe ist gütig. / Sie ereifert sich nicht, / sie prahlt nicht, / sie bläht sich nicht auf. 5 Sie handelt nicht ungehörig, / sucht nicht ihren Vorteil, / lässt sich nicht zum Zorn reizen, / trägt das Böse nicht nach. 6 Sie freut sich nicht über das Unrecht, / sondern freut sich an der Wahrheit. 7 Sie erträgt alles, / glaubt alles, / hofft alles, / hält allem stand. 8 Die Liebe hört niemals auf. / Prophetisches Reden hat ein Ende, / Zungenrede verstummt, / Erkenntnis vergeht. 9 Denn Stückwerk ist unser Erkennen, / Stückwerk unser prophetisches Reden; 10 wenn aber das Vollendete kommt, / vergeht alles Stückwerk. 11 Als ich ein Kind war, / redete ich wie ein Kind, / dachte wie ein Kind / und urteilte wie ein Kind. Als ich ein Mann wurde, / legte ich ab, was Kind an mir war. 12 Jetzt schauen wir in einen Spiegel / und sehen nur rätselhafte Umrisse, / dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht. Jetzt ist mein Erkennen Stückwerk, / dann aber werde ich durch und durch erkennen, / so wie ich auch durch und durch erkannt worden bin. 13 Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; / doch am größten unter ihnen ist die Liebe.
Evangelium vom Evangelisten Lukas (Lk 4, 21-30)
DAS WIRKEN JESU IN GALILÄA
Erstes Auftreten in Galiläa
14 Jesus kehrte, erfüllt von der Kraft des Geistes, nach Galiläa zurück. Und die Kunde von ihm verbreitete sich in der ganzen Gegend. 15 Er lehrte in den Synagogen und wurde von allen gepriesen.
Die Antrittsrede in Nazaret
16 So kam er auch nach Nazaret, wo er aufgewachsen war, und ging, wie gewohnt, am Sabbat in die Synagoge. Als er aufstand, um vorzulesen, 17 reichte man ihm die Buchrolle des Propheten Jesaja. Er öffnete sie und fand die Stelle, wo geschrieben steht: 18 Der Geist des Herrn ruht auf mir; / denn er hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, / damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde / und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze 19 und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe. 20 Dann schloss er die Buchrolle, gab sie dem Synagogendiener und setzte sich. Die Augen aller in der Synagoge waren auf ihn gerichtet. 21 Da begann er, ihnen darzulegen: Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt. 22 Alle stimmten ihm zu; sie staunten über die Worte der Gnade, die aus seinem Mund hervorgingen, und sagten: Ist das nicht Josefs Sohn? 23 Da entgegnete er ihnen: Sicher werdet ihr mir das Sprichwort vorhalten: Arzt, heile dich selbst! Wenn du in Kafarnaum so große Dinge getan hast, wie wir gehört haben, dann tu sie auch hier in deiner Heimat! 24 Und er setzte hinzu: Amen, ich sage euch: Kein Prophet wird in seiner Heimat anerkannt. 25 Wahrhaftig, das sage ich euch: In Israel gab es viele Witwen in den Tagen des Elija, als der Himmel für drei Jahre und sechs Monate verschlossen war und eine große Hungersnot über das ganze Land kam. 26 Aber zu keiner von ihnen wurde Elija gesandt, nur zu einer Witwe in Sarepta bei Sidon. 27 Und viele Aussätzige gab es in Israel zur Zeit des Propheten Elischa. Aber keiner von ihnen wurde geheilt, nur der Syrer Naaman. 28 Als die Leute in der Synagoge das hörten, gerieten sie alle in Wut. 29 Sie sprangen auf und trieben Jesus zur Stadt hinaus; sie brachten ihn an den Abhang des Berges, auf dem ihre Stadt erbaut war, und wollten ihn hinabstürzen. 30 Er aber schritt mitten durch sie hindurch und ging weg.