
Jan Opiéla, kath. Seelsorger
für ‚Roma u. Sinti‘ im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz
und Präses der Katholischen Landvolkbewegung im Erzbistum Köln
5. Sonntag der Osterzeit A‘2023 Lesung: Apostelgeschichte 6, 1 – 7 und Evangelium: Johannes 14, 1 – 12, 07.05.2023
Das Evangelium konfrontiert uns mit der klassisch, zeitlosen Situation von Abschied nehmen müssen, dem Sterben tatenlos entgegensehen, einer kaum zu beschreibenden Totenstille, welche in eine innere Leere übergeht und dann einmündet in einen Wust an Fragen, die jedoch keiner im Kreis der ratlos, betroffen Dastehenden laut auszusprechen wagt. In dem hier wach gerufenen Gefühlsdurcheinander werden wir zunächst gar nicht die ‚Brüche‘ dieses Textes gewahr, wo ein Jesus beruhigend auf uns einwirken will, der gerade vom Einrichten der himmlischen Wohnungen zurückzukommen scheint und auf Jünger trifft, die bereits schon gestorben sein müssten! Denn in der Zeit zwischen 80 – 100 n.Chr. hatten die Gemeinden auf deren geistliche Bedürfnisse hin Johannes sein Evangelium verfasst hat, schon längst das unmittelbare Bevorstehen eines anbrechenden Reich Gottes (=Naherwartung) aufgegeben und ließen sich auch die drängenden Fragen nicht mehr mit bekannten ‚Jesus-Geschichten‘ beantworten.
So ist ‚Theo-logie‘ (aus dem Griechischen übersetzt: Rede von Gott) als etwas Neues entstanden, in der Johannes hier die klassische Vorlage einer zu damaligen Zeit üblichen Abschiedsrede mit dem auferstandenen Christus kombinierte. Auf den Segenszuspruch ‚Euer Herz lasse sich nicht verwirren‘ (Vers 1) folgt die Ermahnung mit ‚… niemand kommt zum Vater, außer durch mich‘ (Vers 6) und schließt gleichsam das Testament, wie das Vermächtnis großer Persönlichkeiten damaliger Zeit, mit der Verheißung ‚Wenn ihr mich erkannt habt, werdet ihr auch meinen Vater erkennen.‘ (Vers 7). Damit ist also deutlich geworden, wenn wir dem Vermächtnis Jesu in Werk und Leben gefolgt sind, befinden wir uns in der Wahrheit und besitzen das Leben in Gott. Und da für uns Gott mit Jesus gleichgesetzt ist, ist er für uns auch Weg und Ziel zugleich (vgl. Vers 6).
In der Anwendung auf die existentielle Frage eines Überganges vom Irdischen ins verheißene Himmlische knüpft Johannes theologisch geschickt an das beruhigend wirkende archaische Bild vom ‚zu Hause‘ an, was alle kennen und sofort vertraut ist. Und die Navigation dorthin übernehmen die, mit denen wir zusammenwohnten und die den Weg vor uns gegangen sind, unsere Verstorbenen.
Betrachten wir in der Rückschau nun ihr gelungenes Leben, können wir es wie Hinweisschilder lesen und den Weg zu den verheißenen ‚Wohnungen‘ erkennen. Damit hat Johannes wohl eine häufige Frage aus seinen Gemeinden, nach dem Weg, beantwortet, indem er den unverständigen und deshalb nachfragenden Thomas hat agieren lassen.
Das Problem was mit der Figur des Philippus abgearbeitet wird, liegt hingegen glaubensmäßig viel tiefer. So könnte es gewesen sein, dass schon erste Zweifel an der Gottgleichheit Jesu aufgetreten sind und man deshalb das ‚Original‘ sehen wollte, was ja dann auf jeden Fall ‚genügt‘ (Vers. 8) hätte. Folglich musste erneut die Identität zwischen Vater und Sohn als der eine Gott hergestellt werden und weist Johannes deshalb noch einmal auf die Wirkmächtigkeit der Werke Jesu hin, die er ohne eigene göttliche Eigenschaften wohl kaum zustande gebracht hätte.
Im übertragenen Sinne passiert uns das auch, wenn wir uns im Straßenverkehr ausschließlich des Navis bedienen, der für uns klar das Ziel in seinem elektronischen ‚Auge‘ hat, doch wir selber verlernen nach und nach das Suchen oder Lesen von Hinweisschildern und das kombinatorische Erkennen des Weges und sind dann ohne Navi völlig aufgeschmissen.
Das heißt, der Glaube als Prozess mit all seinen Irrungen und Wirrungen wird uns nicht erspart bleiben und bei einem Eingebunden sein in eine Gemeinschaft der Glaubenden könnte es dann, trotz aller Schwierigkeiten mit ‚Kirche‘, einfacher sein, im Weg auch das Ziel zu erkennen.
für Rückfragen und Diskussion jan.opiela@web.de
Biblische Texte zum 5. Sonntag der Osterzeit Lesejahr A‘2023
Lesung: Apostelgeschichte 6, 1 – 7
Die Wahl der Sieben
1 In diesen Tagen, als die Zahl der Jünger zunahm, begehrten die Hellenisten gegen die Hebräer auf, weil ihre Witwen bei der täglichen Versorgung übersehen wurden.[1] 2 Da riefen die Zwölf die ganze Schar der Jünger zusammen und erklärten: Es ist nicht recht, dass wir das Wort Gottes vernachlässigen und uns dem Dienst an den Tischen widmen. 3 Brüder, wählt aus eurer Mitte sieben Männer von gutem Ruf und voll Geist und Weisheit; ihnen werden wir diese Aufgabe übertragen. 4 Wir aber wollen beim Gebet und beim Dienst am Wort bleiben. 5 Der Vorschlag fand den Beifall der ganzen Gemeinde und sie wählten Stephanus, einen Mann, erfüllt vom Glauben und vom Heiligen Geist, ferner Philippus und Prochorus, Nikanor und Timon, Parmenas und Nikolaus, einen Proselyten aus Antiochia.[2] 6 Sie ließen sie vor die Apostel hintreten und diese legten ihnen unter Gebet die Hände auf. 7 Und das Wort Gottes breitete sich aus und die Zahl der Jünger in Jerusalem wurde immer größer; auch eine große Anzahl von den Priestern nahm gehorsam den Glauben an.
Evangelium: Johannes 14, 1 – 12
Die erste Abschiedsrede. Fortgang und neues Kommen Jesu
1 Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott und glaubt an mich! 2 Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, hätte ich euch dann gesagt: Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten? 3 Wenn ich gegangen bin und einen Platz für euch vorbereitet habe, komme ich wieder und werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin. 4 Und wohin ich gehe – den Weg dorthin kennt ihr. 5 Thomas sagte zu ihm: Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst. Wie können wir dann den Weg kennen? 6 Jesus sagte zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich. 7 Wenn ihr mich erkannt habt, werdet ihr auch meinen Vater erkennen. Schon jetzt kennt ihr ihn und habt ihn gesehen. 8 Philippus sagte zu ihm: Herr, zeig uns den Vater; das genügt uns. 9 Jesus sagte zu ihm: Schon so lange bin ich bei euch und du hast mich nicht erkannt, Philippus? Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen. Wie kannst du sagen: Zeig uns den Vater? 10 Glaubst du nicht, dass ich im Vater bin und dass der Vater in mir ist? Die Worte, die ich zu euch sage, habe ich nicht aus mir selbst. Der Vater, der in mir bleibt, vollbringt seine Werke. 11 Glaubt mir doch, dass ich im Vater bin und dass der Vater in mir ist; wenn nicht, dann glaubt aufgrund eben dieser Werke! 12 Amen, amen, ich sage euch: Wer an mich glaubt, wird die Werke, die ich vollbringe, auch vollbringen und er wird noch größere als diese vollbringen, denn ich gehe zum Vater.